Nach einer zweiwöchigen Quarantäne in einem Hotel in der Hauptstadt Phnom Penh bin ich endlich bei Smiling Gecko in Kampong Chhnang angekommen. Die Provinz ist zentral im Land gelegen und ca. zwei Autostunden von der Hauptstadt Phnom Penh entfernt. Das Projektgelände befindet sich auf dem Land, umgeben von wenigen Bauernfamilien, abseits städtischer Strukturen. Smiling Gecko umfasst heute eine Gemüse- und Früchteproduktion, eine Hühner-, Schweine und Rinderzucht sowie eine Aquakultur Fischproduktion, bei welcher ich für die nächsten sechs Monate tätig sein werde. Daneben werden auch noch Vanille sowie medizinische Pflanzen kultiviert. Weitere Zweige beinhalten eine grosse Schreinerei, eine Schneiderei und die interne Küche mit einer Bäckerei und Metzgerei. Zudem ist das Projekt auch für Touristen attraktiv. Diese können im Hotel, dem sogenannten «Smiling Gecko Farmhouse» übernachten und sich im Restaurant, Spa oder Pool vergnügen und bei einer Besichtigungsfahrt durch das Projektgelände mehr über die Arbeit der NGO erfahren. Smiling Gecko investiert auch in Bildung. Eine Primary School bietet zurzeit 300 Kindern eine schulische Grundbildung an und es kommen weitere Gebäude hinzu. In Zukunft sollen über 1’100 Kinder bis zum High School Niveau ausgebildet werden können. Zusätzlich engagiert sich die NGO mit ausgelagerten Projekten, welche der ruralen Bevölkerung direkt Hilfe bieten sollen.
Die Ankunft
Normalerweise versuche ich keine grossen Vorstellungen gegenüber voranstehenden Situationen zu entwickeln. Da ich jedoch noch nie zuvor über eine «so lange» Zeit in einem fremden Land gelebt oder gearbeitet habe, haben sich in mir doch gewisse Hoffnungen und Ängste entwickelt. Fragen wie, «Wo werde ich unterkommen?», «Werde ich mich gut mit den Mitarbeitern verstehen?», «Was werde ich essen?» und «Wie steht es mit der Sicherheit?» wurden mit jedem Tag, bei dem meine Ankunft näher rückte, etwas lauter. Ich bin nicht kompliziert und lebe gerne unter einfachen Umständen. Wichtig war mir einfach, dass ich mich wohlfühlen würde.
Bei meiner Ankunft jedoch haben sich all meine Bedenken in Luft aufgelöst. Nicht nur meine Unterkunft hat meine Erwartungen total übertroffen, sondern auch die ganze Infrastruktur von Smiling Gecko.
Mein Zimmer mit kleiner Terrasse, eigener Eingangstür, Badezimmer und Aircon lässt keine Wünsche offen. Dazu habe ich ein persönliches Fahrrad bekommen. In der Mensa gibt es dreimal am Tag, nach Schweizer Uhrwerk, sehr schmackhaftes Essen und man hat die Auswahl zwischen einem Asiatischen oder westlichen Gericht. Zum Frühstück gibt es manchmal sogar frisch gebackenen Zopf. Es gibt Momente, da scheint es mir, als würde ich mich irgendwie immer noch halbwegs in der Schweiz befinden, was sich recht eigenartig anfühlt. Denn sobald man das Smiling Gecko Gelände verlässt, befindet man sich direkt im harten Alltag der kambodschanischen Bevölkerung. Familien leben in Unterständen aus Bambus, ohne Wände, Strom und fliessend Wasser. Kinder sind unterernährt und aus der Not heraus werden Eidechsen, Schlangen, Frösche und manchmal auch Hunde verspeist. Die Armut ist überall und da fühlt es sich für mich etwas bizarr an, wenn ich in meinem sauberen, gut riechenden, klimatisierten Zimmer mit high-speed Internet nach Hause telefoniere.
An meinem zweiten Tag vor Ort, bekam ich eine höchstpersönliche Führung vom Direktor durchs Smiling Gecko Gelände, welcher jeden Betriebszweig in hohen Worten lobte. Er erzählt mir von Plänen, das Hotel sowie das dazugehörige Restaurant zu vergrössern, damit doppelt so viele Gäste beherbergt werden können. Ich beginne mich zu fragen, wieso die NGO in Zeiten wo Gäste sowieso auf sich warten lassen, davon spricht, das Hotel zu vergrössern? Fliesst das Geld wirklich in geeignete Projekte und werden die Prioritäten richtig gesetzt? Und wieso wird eigentlich in der Mensa dreimal am Tag Fleisch serviert, wenn doch von Nachhaltigkeit gesprochen wird?
Mir wird langsam klar, dass ich das Projekt in meiner Vorstellung vielleicht etwas romantisiert und ich mir die Ziele der NGO teils anders vorgestellt habe. Mir wäre es lieber, in einer einfacheren Unterkunft zu übernachten und auf gewisse Privilegien zu verzichten, wenn somit vielleicht noch mehr Unterstützung geleistet werden könnte!
Nichtsdestotrotz hat Hannes Schmid mit seinem Projekt unglaubliches auf die Beine gestellt und es sind immerhin über 250 Kambodschaner Vollzeit bei Smiling Gecko angestellt, wovon auch deren Familienmitglieder profitieren. Und es wird viel in Bildung investiert! Wer die Geschichte Kambodschas kennt, weiss, wie wichtig es ist, den neuen Generationen eine Möglichkeit zu guter Bildung zu verschaffen.
Auf jeden Fall gefällt mir das Leben hier sehr. Die Tage beginnen zwischen 5 und 6 Uhr mit dem Sonnenaufgang und enden um 19 Uhr nach Einbruch der Dunkelheit. Es ist friedlich und ruhig hier, nachts hört man lediglich die Frösche quaken. Und auch die Natur ist atemberaubend. Aufgrund der Regenzeit, welche noch bis November dauert, ist die Vegetation sehr üppig und alles erscheint in leuchtendem Grün.
Faszinierend ist auch die Tierwelt. Es kreucht und fleucht in jeder Ecke. Ich erblicke immer wieder Insekten in aussergewöhnlichen Formen und Farben und auch wunderschöne Schlangen durfte ich bereits zu Gesicht bekommen.
Mein Arbeitsbereich
Mein Praktikum absolviere ich im Aquakultur Departement, welches von den zwei Kambodschanerinnen Theary und Sreymom geleitet wird. Gecoacht wird das Fischprojekt von Ben Scott, einem ehemaligen Studenten und heute wissenschaftlichen Mitarbeiter der ZHAW. Er hat in den letzten Jahren mit Theary und Sreymom erstaunliches auf die Beine gestellt. Das Fischprojekt umfasst die Fischzucht mit zwei Teichen (genannt Hatchery Pond und School Pond) von je einem Hektar. Darin werden in Netzgehegen Buntbarsche (Tilapia) gezüchtet. Auch umfasst das Fischprojekt einen Inkubationsbereich, in welchem die Fingerlinge (Baby Fische) aufgezogen werden. Die Zucht erzielt eine jährliche Produktion von 24 Tonnen Tilapia im Jahr. Smiling Gecko hätte die Kapazität die Produktionsmenge um ein Vielfaches zu erweitern, ein zweiter Teich von 2 ha steht bereits zur Verfügung. Aufgrund der Corona-Pandemie fällt es jedoch schwer überhaupt einen Absatz für die Fische in Kambodscha zu generieren.
Aufgrund des sehr guten Futterverwertungsindexes von Tilapia schneidet seine Produktion im Vergleich zu einheimischen Fischarten besser ab. Zusätzlich hat Tilapia den Vorteil, dass er rein pflanzlich ernährt werden kann. Und trotz der Orientierung an einer nachhaltigen Praxis, bleibt die Ökobilanz der Fischzucht eher schlecht. Verantwortlich dafür ist vor allem das industrielle Fischfutter. Es setzt sich hauptsächlich aus Fischmehl und Sojamehl zusammen. Das Fischmehl stammt aus Wildfang, wobei nicht klar ist, wie viel davon wirklich nur aus «Abfallprodukten» herkommt. Es stellt sich die Frage:
Fischen für Nahrung oder Fischen für Futter?
Und auch das Sojamehl, mit Herkunft in den USA, trägt nicht zu einer umweltschonenden Praxis bei. Mittlerweile benutzen sie in ihrer Produktion für die Ausmasst Futter auf pflanzlicher Basis, jedoch auch mit Herkunft aus Übersee. Diese Problematik spricht dafür, zumindest einen Anteil des Fischfutters selbst auf dem Projektgelände produzieren. Diese Praxis würde nicht nur die Umweltauswirkungen vermindern, sondern könnte auch die Kosten für die Produktion erheblich senken, da nebst den Arbeitskosten die Futterkosten zu den höchsten Ausgaben gehören.
Da Smiling Gecko aufgrund der Aquakultur bereits über viele offene Wasserflächen verfügt, könnte der Anbau von Wasserlinsen einen interessanten neuen Produktionszweig darstellen. Wasserlinsen sind aquatische Pflanzen, die an der Oberfläche schwimmen. Sie werden neu zur Familie der Aronstabgewächse (Araceae) gezählt und umfassen 14 verschiedene Arten. Diese Pflanzen kommen weltweit vor und einige von ihnen gehören zu den kleinsten bekannten Blütenpflanzen. In natürlicher Umgebung wachsen sie in ruhigen Gewässern wie Teichen oder stillen Uferzonen in mittel- bis stark nährstoffhaltigem Wasser. Sie besitzen die Fähigkeit Nährstoffe innerhalb eines kurzen Zeitraumes an sich zu binden und eignen sich deshalb bestens für die Reinigung von Abwässern. Aufgrund ihres hohen Proteingehaltes können die Wasserlinsen auch als nachhaltiges Futter- und Nahrungsmittel genutzt werden. Das konventionelle Futter kann, je nach Tierart, bis zu 30% durch Wasserlinsen ersetzt werden. Grobe Berechnungen haben ergeben, dass Smiling Gecko mithilfe dieser Praxis bis zu 20'000 $ an Futterkosten jährlich einsparen könnte, indem ein Teil des Futters (ca. 20%) durch Wasserlinsen ersetzt würde. Zudem ist die Produktion von «hofeigenem» Futter ein Schritt in eine ökologischere Landwirtschaft in Richtung biologischer Produktion.
Während meines Praktikums versuche ich die Wasserlinse «Lemna minor» zu kultivieren. Bekannt sind 14 Arten dieser Familie. Innerhalb von 24-48 Stunden kann sich ihre Biomasse verdoppeln, weshalb ihr Anbau sehr lohnenswert sein kann. Neben ihrer ausserordentlichen Wachstumsrate trägt auch der hohe Proteingehalt von bis zu 35% dazu bei, dass diese Art gerne als alternatives Futtermittel für Vieh, Geflügel, Schweine und Fische angebaut wird.
Das Ziel meines Praktikums ist es, herauszufinden, ob und wie gut die Pflanze unter den gegebenen Bedingungen wächst. Zudem soll in Zusammenarbeit mit den anderen landwirtschaftlichen Departements die Verfütterung an Hühner, Schweine und Fische getestet werden. Mithilfe ersten Versuchsergebnissen zum Anbau können das Wachstum, die Menge der täglichen Ernte sowie die Fütterungstechniken und der Arbeitsaufwand bestimmt werden. Mithilfe dieser Daten kann ein Finanz- und Businessplan erstellt und eine Empfehlung ausgesprochen werden, inwiefern sich die Weiterführung dieses Projektes für Smiling Gecko lohnt. Zudem werde ich eine Arbeitsanleitung sowie Lernvideos erstellen, welche als Lehrmaterial weiter benützt werden können.
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