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IZA: Projektarbeit und die Internationale Zusammenarbeit

Seit meinem letzten Bericht über das Wasserlinsenprojekt ist etwas Zeit vergangen und einiges geschehen. Vieles ist nicht nach Plan verlaufen, ich musste einige Rückschläge einstecken, mich anpassen und das Projekt umplanen.
Nachdem mein erster Versuch, die Wasserlinsen in den Fischteichen anzubauen, fehlgeschlagen hatte, entwickelte ich einen neuen Versuchsaufbau. Am Tag als ich alles Material endlich zusammenhatte und mit der Konstruktion begann, wurde ich von Smiling Gecko informiert, dass sie einen anderen Projektstandort vorziehen. Dies bedeutete, dass sich mein Projekt, jetzt wo endlich alles vorbereitet war, weiter verzögern würde. Es war frustrierend.


Als mir der neue Standort gezeigt wurde, stellte sich heraus, dass der Boden (vor allem zur Regenzeit) sehr wassergesättigt und deshalb eine gewisse Instabilität aufwies. Dies war insofern problematisch, da die im Boden ankernden Holzpfähle, welche den Rahmen der Wasserlinsenbecken bilden, dem Gewicht des Wassers standhalten mussten. Aufgrund des instabilen Bodengefüges wurde mir dann empfohlen, die Rahmen für die Becken aus Metall zu konstruieren. Die Entscheidung dafür oder dagegen fiel mir nicht leicht und war herausfordernd, zumal ich absolut keine baulichen Erfahrungen mitbringe. Zudem wollte ich das Experiment mit einem möglichst geringen Kostenaufwand umsetzen. Da ich mir jedoch weitere Verwendungszwecke für die Becken vorstellen konnte, im Falle, dass mein Experiment nicht weitergeführt würde, entschied ich mich doch für die stabile Variante aus Metall.

Und so habe ich Pläne für die Metallrahmen erstellt, die Menge an benötigtem Metall berechnet, dieses bestellt und mithilfe eines erfahrenen Mitarbeiters zurechtgeschnitten und zusammengeschweisst.


Als diese fertig waren, haben wir den Boden am Standort begradigt, die Rahmen platziert, die Blachen angebracht und die Becken mit Wasser gefüllt. Auch wurde am Standort ein Gerüst gebaut, welches als Sonnenschutz für die Wasserlinsen dient.


Damit die Pflanzen mit Nährstoffen versorgt werden, musste noch Dünger her. Da Smiling Gecko jedoch nicht genügend Kühe besitzt, konnte ich nicht wie von Timo Stadtlander empfohlen, Kuhmist als Nährstoffquelle benützen. Deshalb bin ich auf flüssigen Schweinedünger ausgewichen. Mithilfe einiger chemischer Nährstoffanalysen konnte ich den Gehalt an Ammoniak/Ammonium, Nitrit, Nitrat und Phosphor bestimmen und so die benötigte Menge Flüssigdünger berechnen. Mit der Unterstützung einiger Mitarbeiter aus dem Landwirtschaftsdepartement konnten wir eine erste Ladung des flüssigen Schweinedüngers besorgen und in drei der neun Becken füllen. Endlich konnte es mit meiner Wasserlinsenproduktion losgehen.


Nachdem ich die ersten drei Becken mit Wasserlinsen gefüllt habe, kam einige Tage danach der nächste Rückschlag. Ich wurde informiert, dass aufgrund eines Virus, welcher bei den Schweinen nachgewiesen wurde, die Schweineproduktion bis auf weiteres eingestellt werde. Somit ist in etwa das „Worst Case Scenario“ eingetreten. Es ist bekannt, dass die Biosicherheit bei der Nutzung von tierischen Düngern nicht zu 100% gewährleistet werden kann. Mit dem Ausbruch des African Swine Fevers konnte ich den verbleibenden Flüssigdünger nicht mehr zur Wasserlinsenproduktion nutzen. Und da die Schweineproduktion in näherer Zukunft nicht wieder aufgenommen wird, fehlt nun die Nährstoffquelle, welche für die Wasserlinsenproduktion zentral ist.

Dieser weitere Rückschlag zwang mich, meinen Versuch vorzeitig zu beenden. Deshalb war es mir nicht möglich, Daten zur Wasserlinsenproduktion zu sammeln, mit welchen ich die Wachstumsrate hätte bestimmen können. Auch konnte ich keine Fütterungsversuche unternehmen.

Obwohl ich aufgrund des Vorfalls in der Schweineproduktion meinen Wachstumsversuch vorzeitig beenden musste, ist es mir gelungen, den wichtigsten Teil meiner Aufgabe im Praktikum erfüllen. Ich konnte für Smiling Gecko erste Erfahrungen im Anbau von Wasserlinsen sammeln und eine Empfehlung bezüglich der Fortführung des Projektes aussprechen.

Zum Abschluss meines Praktikums habe ich einen ausführlichen Report und ein Business Case erstellt, welches die wichtigsten Informationen zur Umsetzung einer 1 ha Wasserlinsenproduktion beinhaltet. Diese kann Smiling Gecko bei Interesse als Entscheidungsgrundlage und Guideline benützen, um die nächsten Schritte zu planen.

Erlerntes
Ich habe viel Literatur gelesen und mir dadurch ein grosses Wissen über Wasserlinsen und deren Produktion aneignen können. Als viel wichtiger empfinde ich aber die praktischen Erfahrungen, welche ich während der Umsetzung meines Praktikums sammeln durfte. Endlich konnte ich erlerntes aus dem Studium in einem realen Kontext anwenden. Ich war alleine für die Projektorganisation verantwortlich und konnte in Erfahrung bringen, wie Projekte von A bis Z initiiert, angeleitet und umgesetzt werden können. Da es auch immer wieder schwierige Phasen während dem Projekt gab, musste ich einiges an Durchhaltevermögen, Beharrlichkeit und Frustrationstoleranz aufbringen. Dies nicht nur aufgrund der „technischen“ Komplikationen, sondern auch dadurch, dass ich mich in einem anderen Land mit einer anderen Sprache, Arbeits- und Verhaltsweise befand.

Das Praktikum hat mir einen Raum gegeben, um mich beruflich zu entwickeln. Und ich durfte erkennen, dass ich heute einiges anders machen würde. All diese Erkenntnisse fliessen in den Erfahrungsschatz, auf den ich für zukünftige Projekte im Berufsleben aber auch im Privaten zurückgreifen kann.

Leben im Ausland
Mein persönliches Highlight während meiner Zeit hier in Kambodscha, sind in erster Linie die Menschen, welchen ich begegnen durfte. Sie liessen mich in eine neue Welt eintauchen, von der ich viel lernen konnte. Von der Ruhe und Gelassenheit der Kambodschaner, über neue praktische Fähigkeiten (Kokosnuss öffnen, Motorrad fahren), Gerüchen, Geschmäckern und Essgewohnheiten (Ameisen, Grillen und Frösche gehören bereits auf meinen Speiseplan), unbekannten Pflanzen und deren Früchte, bis hin zu den kulturellen Eigenheiten des Landes und einer neuen Sprache. All dies und noch viel mehr durfte ich lernen und erleben. Ich erachte meine Zeit hier als eine einmalige und wunderbare Chance, für welche ich unglaublich dankbar bin und auch für immer sein werde.


Der Abschied naht und ich weiss jetzt schon, dass ich Kambodscha und vor allem die Menschen sowie die Lebensweise hier unglaublich vermissen werden. Ich habe es mir nicht vorstellen können, doch mittlerweile fühle ich mich hier zuhause und weiss, dass bei meinem Abschied ein Stück meines Herzens in Kambodscha verbleiben wird.

Entwicklungszusammenarbeit
Mein Einsatz hier hat mir einen wertvollen Einblick in die Entwicklungszusammenarbeit ermöglicht und mir auch klar gemacht, dass meine Vorstellungen von Entwicklungszusammenarbeit nicht ganz der Realität entsprachen. Ich bin heute der Überzeugung, dass in der Entwicklungszusammenarbeit leider oftmals nicht direkt die Interessen der Bevölkerung vertreten werden. Es entsteht in vielen Fällen ein Konflikt zwischen effektiver Hilfeleistung, den individuellen Interessen der Organisation und dem Zufriedenstellen der Spender.


Auch bleibt die Frage, wie Veränderungen umgesetzt werden sollten. Ist unsere Denkens- und Bewirtschaftungsweise wirklich die einzige Möglichkeit für ein Land, um „erfolgreich“ zu sein, oder sollten wir die Entwicklungsländer doch nicht besser dazu unterstützen, Methoden zu implementieren, die im Land bereits vorhanden und bekannt sind?
Bevor Projekte lanciert und Ziele gesetzt werden, sollte man sich für eine Zeit im Land aufhalten und sich zuerst in die Kultur integrieren. Nur so kann die Relevanz von Projekten richtig bewertet werden.

Die internationale Zusammenarbeit als Berufsfeld bietet viele interessante Aufgaben und ich könnte mir vorstellen, weitere Erfahrungen in diesem Bereich zu sammeln. Dabei ist es mir aber wichtig, eine Organisation oder Institution zu finden, die in meinen Augen ethisch korrekt, nachhaltig und gezielt Projekte umsetzt, sodass ich zu 100% dahinterstehen kann.

Interkulturelle Kommunikation
Da ich bereits in mehreren Ländern unterwegs war und mit unterschiedlichen Kulturen in Kontakt gekommen bin, fiel mir die Kommunikation mit den Einheimischen leicht. Zudem habe ich, um mehr über die Zusammenarbeit in interkulturellen Teams zu lernen, das Fach „Intercultural Competences“ besucht. Dadurch konnte ich mich mit den theoretischen Aspekten der interkulturellen Kommunikation im Vorfeld schon bekannt machen. So war ich auf die kulturellen Begebenheiten des Landes sensibilisiert. Kambodschaner legen Wert auf eine ruhige und respektvolle Kommunikation. Wird die eigene Kommunikationsweise einigermassen der der Landsleute angepasst, spielen die kulturellen Unterschiede in der Kommunikation oft gar keine wesentlich Rolle.

Mit meiner geduldigen, lockeren, ehrlichen, aber sensiblen Herangehensweise hat der Austausch in den meisten Fällen sehr gut funktioniert. Nur die Sprache stellte teils eine Barriere dar, welche aber mithilfe der Körpersprache fast immer selber überwunden werden konnte. Eine gute Portion Humor hilft auch, interkulturelle Kommunikation erfolgreich zu meistern.

Schon kurze Zeit nach meiner Ankunft fühlte ich mich im Team integriert. Meine zwei Kolleginnen, Sreymom und Theary, haben mich wie eine Schwester aufgenommen, wofür ich sehr dankbar bin. Mittlerweile geht unser Kontakt über die Arbeit hinaus und so hat sich eine wunderbare Freundschaft zwischen uns entwickelt. Dabei bereichern die kulturellen Unterschiede unser Zusammensein und wir können viel voneinander lernen.


Im Folgenden schildere ich eine meiner Lieblingssituationen, als ich in einen „kulturellen Fettnapf“ getreten bin.

Wenn man in Kambodscha ist, fällt einem sehr schnell auf, dass viele Leute tagsüber Pyjamas tragen. Es gibt sie überall zu kaufen. Ob farbig, gemustert oder mit Motiven geziert, für jeden Geschmack kann etwas gefunden werden. Auch sehr beliebt sind Pyjamas mit Louis Vuitton, Channel, Gucci und Prada (die Liste könnte weiter gehen) Schriftzügen drauf. Manchmal sind auch mehrere Markennamen auf einem Pyjama zu lesen.
Dass Pyjamas hier als Fashion durchgehen, gefällt mir sehr. Also habe ich mir logischerweise, während eines Besuches in der Hauptstadt, auch eines gekauft. Stolz bin ich damit dann durch Phnom Penhs dreckige Strassenmärkte geschlendert. Die Kambodschaner haben mich immer wieder gemustert und angelacht. Ich denke, sie fanden es witzig, eine „weisse Person“ in Pyjama zu sehen. Zum Schlafen habe ich das Pyjama jedoch folglich nicht mehr angezogen.

Neulich hatte ich keine frische Kleidung mehr. Also stand ich vor der Wahl, entweder mit dem Pyjama zur Arbeit zu gehen oder meinen Sarong (ein Tuch, das um die Hüfte gebunden wird) anzuziehen. Da es sich komisch angefühlt hätte, im Pyjama zur Arbeit zu gehen, habe ich mich für den Sarong entschieden und bin damit entlang der staubigen Strasse zur Arbeit gelaufen. Im Büro angekommen, traf ich auf meine zwei Kolleginnen, Sreymom und Theary, welche mich entsetzt angeschaut haben. Ihr Blick machte mich stutzig, also habe ich sie gefragt, ob ihnen mein schöner Sarong denn nicht gefalle? Auf meine Frage schossen sie los: So könne ich doch nicht zur Arbeit kommen. In Kambodscha trage man einen Sarong nur zu Hause. Der sei gut fürs Putzen oder nach dem Duschen, aber so bei der Arbeit zu erscheinen, das gehe nicht und sei „unanständig“.
Ich musste schmunzeln und fand die Situation recht amüsant. Ich habe ihnen dann erklärt, dass ich keine frische Kleidung mehr gehabt habe und mich zwischen dem Pyjama und dem Sarong entscheiden musste. Da es sich in meiner Kultur nicht gehört, ein Pyjama tagsüber oder gar zur Arbeit zu tragen, war die Wahl des Sarongs für mich relativ logisch. Dies war in Kambodscha wohl anders, denn meine zwei Kolleginnen meinten mit einer Selbstverständlichkeit: „Nathalie, Pyjama for work is fine!“. Ich musste lachen und habe ihnen dann versprochen, mich beim nächsten Mal fürs Pyjama zu entscheiden. Auf die Frage, ob ich für heute meinen Sarong durchs Pyjama ersetzen soll, meinten sie, es sei schon okay! Da ich „weiss“ sei, würden die Leute ja bemerken, dass ich aus einer anderen Kultur komme und noch nicht alle Verhaltensregeln hier kenne.
Also habe ich für den Rest des Tages, im Wissen, dass es sich eigentlich nicht gehört, doch den Sarong getragen. Für die Arbeit musste ich in der Schreinerei vorbei, die ausschliesslich Männer beschäftigt. Ich konnte einige Lacher entnehmen und mir gut vorstellen, worüber sie sich gerade lustig machten. Glücklicherweise nehme ich mich selbst nicht so ernst und lache auch gerne über mich selber. So war mir die Situation mehr unvergesslich amüsant als unangenehm.
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